In zwei bemerkenswerten Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht Koblenz (Urteile v. 10.5.2021, 3 K 107/21 und 3 K 108/21)  einen Anspruch auf Entschädigung des Arbeitgebers nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz) verweigert. Damit bestätigte das Verwaltungsgericht eine behördliche Praxis, wonach die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers während einer behördlich angeordneten 14-tägigen Quarantäne eines Arbeitnehmers nicht erstattet wird, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 616 BGB Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen ist.  

Behördlich angeordnete Quarantäne

Der vom Verwaltungsgericht Koblenz entschiedene Sachverhalt kam seit Beginn der  Covid-19-Pandemie sehr häufig vor: Gegenüber Mitarbeitern, die im Verdacht standen, Kontakt mit an Covid-19 erkrankten Personen gehabt zu haben, wurde aufgrund einer Ansteckungsgefährdung gemäß § 30 IfSG behördlich eine Quarantäne angeordnet. Im einem der vorliegenden Fälle traf es eine Mitarbeiterin einer Bäckerei, die dort seit ca. 2 ½ Jahren beschäftigt war.

Entschädigung des Arbeitgebers nach §§ 56 IfSG beantragt

Für die Zeit der angeordneten Quarantäne von 2 Wochen zahlte der Arbeitgeber den Lohn fort. Anschließend beantragte er gegenüber der zuständigen Behörde eine Entschädigung nach § 56 IfSG. Diese zahlte aber erst ab dem 6. Tag und verwies wegen der ersten fünf Tage auf den Lohnanspruch nach § 616 BGB.

Lohnfortzahlung gemäß § 616 BGB gehe § 56 IfSG vor

Die Behörde und letztendlich auch die Verwaltungsrichter begründeten dies damit, dass im Verhältnis zu § 616 BGB § 56 IfSG subsidiär sei. § 56 IfSG setze stets einen Verdienstausfall des Arbeitnehmers voraus. Gegenüber dem Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer jedoch einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 616 BGB, da es sich bei einer 14-tägigen Quarantäne um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 BGB handele.

Wann liegt eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 BGB vor?

Die entscheidende Frage ist deshalb vorliegen, wann eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 BGB vorliegt. Diese Frage wird kontrovers diskutiert und insbesondere von den Verwaltungsgerichten anders beurteilt, als von der Arbeitsgerichtsbarkeit oder den Zivilgerichten.

So hat zum Beispiel erst kürzlich das Landgericht Münster in einer Entscheidung vom 15.4.2021 (Aktenzeichen 8 O 345/20) dem Arbeitgeber eine Entschädigung gemäß § 56 IfSG zugesprochen und hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 616 BGB unter anderem folgendes ausgeführt:

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit regelmäßig auch bei schwerwiegenden Ereignissen nur eine Dauer von einigen Tagen in Betracht kommt (BeckOK ArbR/Joussen, 59. Ed. 1.3.2021, BGB § 616 Rn. 48 m.w.N.). Umstände die hier ausnahmsweise eine andere Bewertung rechtfertigen sind nicht ersichtlich (vgl. auch Preis, NZA 2020,1137, 1140). Die gegenteilige Ansicht (vgl. z.B. Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112 ff.) überzeugt nicht, weil es u. a. Ziel der Norm ist, aus Billigkeitserwägungen die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers zu sichern, wenn die Arbeitsleistung aus einem von keiner Seite zu vertretenden Grund unmöglich wird (MüKo BGB/Henssler, 8. Aufl. 2020, BGB § 616 Rn. 2). Wenn dann aber die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung auf der Absonderungsverfügung des Kreises beruht, wäre es unbillig, den gerade für diesen Fall vorgesehenen Anspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG durch eine extensive Anwendung von § 616 BGB zulasten des Arbeitgebers auszuhebeln.

Einheitliche Entscheidung über die Entschädigung des Arbeitgebers nach § 56 IfSG

Anders als die Zivilgerichte und auch die Arbeitsgerichte hat das Verwaltungsgericht den hier streitgegenständlichen Zeitraum aufgeteilt und dem Arbeitgeber nur die Entgeltfortzahlung für die Zeit ab dem 6. Tag der Quarantäne erstattet. Dies ist unserer Auffassung nach nicht möglich. Das Gericht muss die Frage entscheiden, ob die 14 Tage Quarantäne im Sinne des § 616 BGB verhältnismäßig erheblich sind mit der Folge der vollständigen Erstattung zugunsten des Arbeitgebers oder eben nicht, dann ohne eine Entschädigung.

Praxistipp für Arbeitgeber

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Berufung zugelassen. Im Übrigen raten wir allen betroffenen Arbeitgebern, gegen ablehnende Bescheide der Behörden Widerspruch und nach erfolglosen Widerspruchsverfahren Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht einzulegen. Gern unterstützen wir betroffene Arbeitgeber bereits im Widerspruchsverfahren, um langwierige Verfahren vor dem Verwaltungsgericht möglichst zu vermeiden.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, schon in der arbeitsvertraglichen Gestaltung finanzielle Risiken zu vermeiden.

Die Frage der Entschädigung gemäß § 56 IfSG im Fall der gegenüber Verdachtspersonen gemäß § 30 IfSG behördlich angeordneten Quarantäne hängt nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Koblenz nämlich entscheidend von der Frage ab, ob der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 616 BGB hat.

Viele Arbeitgeber wissen aber nicht, dass arbeitsvertraglich die Anwendbarkeit des § 616 BGB ausgeschlossen werden kann. Diesbezüglich sollten Arbeitgeber durchaus prüfen, ob sie in ihren Arbeitsverträgen entsprechende Vereinbarungen über den Ausschluss des § 616 BGB aufnehmen.

Als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht hilft Ihnen Herr Rechtsanwalt Peter Albert gern bei entsprechenden Formulierungen, aber auch allgemein zur Überprüfung der von Ihnen als Arbeitgeber verwendeten Arbeitsverträge hinsichtlich der Wirksamkeit einzelner Klauseln.