In einer aktuellen Entscheidung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21) hat der europäische Gerichtshof die Rechte von Beschäftigten erheblich gestärkt. Eine Verjährung von Urlaubsansprüchen tritt nicht ohne weiteres ein. Vielmehr muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einem drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen zum Ende des Kalenderjahres aufmerksam machen. Der europäische Gerichtshof folgt hier konsequent seiner Rechtsprechung zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen. 

keine Verjährung von Urlaubsansprüche bei fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers

In dem zu entscheidenden Fall machte eine ehemalige Mitarbeiterin gegenüber ihrem früheren Arbeitgeber die Abgeltung von Urlaubstage aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren geltend. Zu keinem Zeitpunkt hatte der ehemalige Arbeitgeber die Mitarbeiterin aufgefordert, noch offenen Urlaub zu nehmen. Auch fehlte ein Hinweis des Arbeitgebers, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen könne. Der Beklagte Arbeitgeber war der Auffassung, dass die Urlaubsansprüche Zwar nicht verfallen, jedoch aufgrund der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB)  verjährt seien. Die Frist sei bereits vor Ende des Arbeitsverhältnisses abgelaufen.

Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen als Vorlage zum EuGH

Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH die Sache mit der Prüfung der Frage vorgelegt, ob Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht verfallen konnte, der Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegen.

Ohne Mitwirkung des Arbeitgebers keine Verjährung von Urlaubsansprüchen

Der EuGH vertritt in der zitierten Entscheidung die Auffassung, dass bei der Frage, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch Verfall oder Verjährung erlöschen könnte, stets überprüft werden müsse, ob die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch auch wahrzunehmen. Zwar unterliege der Anspruch auf bezahlten Urlaub grundsätzlich einer 3-jährigen Verjährung. Unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Bestimmungen müsse der Arbeitgeber aber stets dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch auch wahrnehmen können. Dies setze voraus, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer sowohl rechtzeitig auffordern muss, noch offene Urlaubsansprüche vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. vor Ablauf des Übertragungszeitraums zu beantragen und darüber hinaus darauf hinweisen muss, dass noch offene Urlaubsansprüche verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden.

Der Arbeitgeber dürfe sich, so der EuGH, auf die Einrede der Verjährung gegen den Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht berufen, wenn er diesen Hinweis- und Aufforderungspflichten nicht nachgekommen ist.

Rechtstipp

Bereits seit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Verfall von Urlaubsansprüchen ist es jedem Arbeitgeber nur dringend anzuraten, rechtzeitig vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nachweislich seine Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer aufzufordern, noch offene Urlaubsansprüche zu beantragen und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass ansonsten noch offene Urlaubsansprüche verfallen. Mit der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zur Verjährung von Urlaubsansprüchen Ist es zur Vermeidung von finanziellen Ansprüchen noch lange nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses umso wichtiger geworden, diesen Hinweis- und Aufforderungspflichten nachzukommen.

Haben Sie als Arbeitgeber oder Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer weitergehende Fragen zum Urlaub, steht Ihnen Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Albert gern zur Verfügung.