Die Tötung eines Menschen ist eines der schwersten Verbrechen, das die deutsche Rechtsordnung kennt. Wenn der Vater die Mutter töten will, weil sie ihn verlassen hat, kann ein niedriger Beweggrund im Sinne des § 211 Abs. 1 StGB vorliegen.

 

Erfolgreiche Revision

 

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Claudia Napieralski vertrat eine afghanische Frau, die sich in Deutschland von dem Vater ihrer Kinder trennte. Er akzeptierte dies nicht und wollte sie zur Rückkehr bewegen. Hierbei versuchte er, sie zu töten. Das Landgericht Cottbus verurteilte den Mann wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten. Gegen dieses Urteil wandte sich die erfolgreiche Revision der Nebenklägerin.

 

1. Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag

Wer einen anderen Menschen tötet, ist zunächst ein Totschläger (§ 212 StGB). Erfüllt er bei der Tat ein sog. Mordmerkmal, ist er Mörder (§ 211 StGB).

Damit ein Tötungsdelikt als Mord eingeordnet werden kann, muss also über die reine Tötung hinaus noch etwas hinzukommen. Der Mordparagraph kennt insgesamt neun Mordmerkmale:

  • Mordlust
  • die Befriedigung des Geschlechtstriebs
  • Habgier
  • sonst aus niedrige Beweggründe
  • Heimtücke
  • Grausamkeit
  • die Verwendung von gemeingefährlichen Mitteln
  • die sog. Ermöglichungsabsicht und
  • die sog. Verdeckungsabsicht.

 

2. Was sind niedrige Beweggründe?

Niedrige Beweggründe sind Tatantriebe, die nach rechtlich-moralischer Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verachtenswert sind. Das Motiv der Tat muss also menschlich nicht (mehr) verständlich sein und deshalb Ausdruck einer niederen Gesinnung sein. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass auch der Täter seine Tatmotive als niedrig beurteilt.

Maßstab der Beurteilung ist hierbei der Wertemaßstab der Bundesrepublik Deutschland.

Da grundsätzlich jedes Tötungsdelikt verwerflich ist, müssen die Beweggründe des Täters in der Gesamtbetrachtung als verwerflich anzusehen sein.

 

3. Wann ist ein sog. Ehrenmord ein niedriger Beweggrund?

Das Strafgesetzbuch kennt in seinem Mordparagraphen den Begriff des „Ehrenmordes“ nicht. Die sog. Ehrenmorde können deshalb niedrige Beweggründe darstellen.

Der Bundesgerichtshof urteilte nun: Bereits das Landgericht hatte festgestellt, dass „sich der Angeklagte von seinem Rollenverständnis und dem daraus resultierenden Herrschaftsanspruch über seine Familie leiten ließ, weswegen er sich berechtigt sah, auch „schwerwiegendere Maßnahmen“ gegen seine Frau zu ergreifen, die lediglich ihrem berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben Geltung verschaffen wollte. All dies empfand der Angeklagte als schwewviegende Ehrverletzung. Das Tötungsmotiv der Wiederherstellung der Ehre ist grundsätzlich objektiv als niedrig anzusehen (BGH, Urteil vom 25. September 2019 — 5 StR 222/19).

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass „der Angeklagte die kulturellen Unterschiede zu seinem „traditionellen“ Vorstellungsbild von Ehe und Familie intellektuell erfasst hatte, nur unwillig war, sich darauf einzustellen und diese zu akzeptieren.

 

4. Wie ging es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes weiter?

Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil des Landgerichts Cottbus aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Cottbus zurückverwiesen. Dieses verurteilte den Mann am 19.10.2020 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten.

 

Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.07.2020 finden Sie hier.