Strafbarkeit von Straßenblockaden

 

Seit einiger Zeit häufen sich Berichte über Klimaaktivisten und Demonstranten, die Autobahnzufahrten und Autobahnabfahrten blockieren. Zum Teil kleben sich einzelnen Personen sogar auf die Fahrbahn . Ungeachtet der Gefährlichkeit für die Einzelpersonen, können diese Aktionen auch Konsequenzen haben, mit denen sich die Demonstranten im Vorfeld auseinandersetzen sollten. Es stellt sich die Frage nach der Strafbarkeit von Straßenblockaden.

 

1. Das Versammlungsrecht

Artikel 8 des Grundgesetztes beinhaltet für alle Deutschen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die Demonstranten dürfen sich also ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen versammeln und auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

 

2. Grenzen des Versammlungsrechts

Bei Versammlungen unter freiem Himmel kann ein Gesetz das Versammlungsrecht einschränken. Die Versammlungsgesetze des Bundes und der Länder sehen u.a. ein Vermummungsverbot, die Anmeldepflicht und ein Waffenverbot vor.

Nur Spontanversammlungen und Eilversammlungen machen Ausnahmen von der Anmeldepflicht.

Versammlungen, die gegen die Versammlungsgesetze verstoßen, aus denen heraus Straftaten begangen werden oder die gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen, können aufgelöst oder vor ihrem Beginn verboten werden.

 

3. Zur Strafbarkeit von Straßenblockaden

Die Versammlungsgesetzte selbst sehen für Verstöße Bußgeld- und Strafvorschriften vor. Strafbar macht sich beispielsweise, wer öffentlich dazu auffordert, an einer verbotenen Versammlung teilzunehmen oder wer bei einer (erlaubten, d.h. nicht verbotenen Versammlung) Waffen bei sich trägt. Lediglich ordnungswidrig handelt, wer z.B. an einer untersagten Versammlung teilnimmt oder als Versammlungsleiter den in eine öffentliche Versammlung entsandten Polizeibeamten die Anwesenheit verweigert.

Auch das Strafgesetzbuch kennt einige Straftatbestände, die im Zusammenhang mit Versammlungen immer wieder eine Rolle spielen. Neben den Beleidigungstatbeständen (§ 185 StGB – Beleidigung, § 186 StGB – üble Nachrede, § 187 StGB – Verleumdung und § 188 StGB – gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung) fallen auf den ersten Blick auch die Körperverletzungsdelikte und der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) ins Auge.

Es kommt aber auch immer wieder zu Anzeigen wegen gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) und Nötigung (§ 240 StGB).

 

a) Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Im Hinblick auf Sitzblockaden und das Festkleben auf der Fahrbahn kommt zunächst ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in Betracht. Strafbar macht sich, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er u.a. Hindernisse bereitet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

Ein Hindernis bereitet, wer körperlich auf Beförderungsmittel einwirkt und so den Verkehr hemmt oder verzögert. Hierunter fallen u.a. das Schieben eines Fahrzeuges auf die Fahrbahn oder das Errichten einer Straßensperre. Der Bundesgerichtshof entschied 1996 (BGHSt 41, 231), dass auch ein Fußgänger ein Hindernis bereiten kann, wenn er auf die Fahrbahn läuft. Kommt es dem Fußgänger darauf an, dass der Verkehr langsam um ihn herum fährt, scheidet der Tatbestand aus.

Angesichts der aktuellen Bilder von den Straßenblockaden in Berlin ist es realistisch, dass es sich um das tatbestandliche Hindernisbereiten handelt. Denn die räumliche Nähe der Aktivisten zueinander lässt regelmäßig kein Umfahren der Personen zu. Das ist auch gerade das Ziel der Demonstranten: Den Verkehr ausbremsen.

Weitere Voraussetzung eines gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr ist jedoch, dass durch das bereitete Hindernis konkrete Lebensgefahr besteht. Wenn also die Demonstranten die (einzige) Zufahrt zu einem Krankenhaus blockieren, sodass Krankenwagen nicht durchkommen, kann ihnen eine Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren drohen. Den Demonstranten kann sogar die Fahrerlaubnis entzogen werden. Dafür müssen sie noch nicht einmal ein Fahrzeug für die Blockade benutzt haben.

 

b) Nötigung

Eine Nötigung begeht, wer einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einem bestimmten Verhalten nötigt.

Gewalt ist erst einmal physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes. Eine andere Person zu schlagen, ist offensichtlich Gewalt. Die Demonstranten sitzen jedoch nur auf der Straße und tun kaum mehr. Das sah auch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995 so. In seiner Entscheidung vom 10.01.1995 (BVerfGE 92, 1) entschied das höchste deutsche Gericht, dass nicht jede Zwangseinwirkung auf den Willen Dritter unter den Gewaltbegriff fallen sollte. In der Entscheidung heißt es unter anderem:

 

„Deswegen verband sich mit dem Mittel der Gewalt im Unterschied zur Drohung von Anfang an die Vorstellung einer körperlichen Kraftentfaltung auf Seiten des Täters. Zwangseinwirkungen, die nicht auf dem Einsatz körperlicher Kraft, sondern auf geistig- seelischem Einfluss beruhen, erfüllen unter Umständen die Tatbestandsalternative der Drohung, nicht jedoch die der Gewaltanwendung. An der Körperlichkeit als Gewaltmerkmal hat die Rechtsprechung seitdem zwar festgehalten, auf die Kraftentfaltung jedoch so weitgehend verzichtet, dass nunmehr bereits die körperliche Anwesenheit an einer Stelle, die ein anderer einnehmen oder passieren möchte, zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt genügt, falls der andere durch die Anwesenheit des Täters psychisch gehemmt wird, seinen Willen durchzusetzen.“

 

Diese sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung im Hinterkopf kann deshalb geschlussfolgert werden: Wer sich demonstrativ vor das Fahrzeug stellt und nicht weg geht (oder sich sogar auf der Fahrbahn festklebt), verursacht, dass Fahrzeuge anhalten müssen. Das wiederum verursacht, dass die dahinter stehenden Fahrzeuge anhalten müssen. Wird damit ein Vorbeifahren des Fahrzeuges in der zweiten Reihe verhindert, wendet der Demonstrant Gewalt an. Ihm droht Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

 

 

In unserer Kanzlei berät und verteidigt Sie Frau Rechtsanwältin Claudia Napieralski zu allen Fragen des Strafrechts. Sie ist zugleich Fachanwältin in diesem Rechtsgebiet.